#2 Wünsch Dir was!!!!!

Es geht auf Weihnachten zu, wie jedes Jahr wird nach Wünschen gefragt und wie jedes Jahr, bin ich gestresst.

 

Seit ich im Kindergarten im Alter von fünf mal meine Kindergärtnerin schockiert habe (von wegen "Konsum und Kinder die alles im Überfluss besitzen") weiß ich, dass "Ich habe keinen Wunsch" eine Antwort ist, die man nicht geben darf.

 

Ich "muss" mir was wünschen...

 

Muss mir was wünschen von der Familie, die sonst Zeit, Geld und Nerven in irgendwelchen Mist steckt, den ich ihrer Meinung nach brauche aber nicht haben will. Muss mir was wünschen, weil ich sie sonst enttäuschen oder belügen muss unterm Weihnachtsbaum. ("Freust Du Dich, Kind???") Muss mir was wünschen, um die "Gefällt Dir nicht? Du bekommst was anderes, was wünschst Du Dir denn?" Diskussion nicht auf die Feiertage zu verlagern, wenn sie NOCH weniger Spaß macht.

 

Ich muss mir was wünschen. - Und ich weiß nichts.

 

Und wie so oft, wenn ich irgendetwas wollen "muss", was jeder außer mir mit Leichtigkeit zu können scheint, versinke ich im Nebel. Alles grau. Und ich finde keine Antwort und ich könnte heulen bei der Frage, was ich möchte... Denn ich möchte nichts. 

 

Ich möchte nichts und ich dachte bisher immer, dass das keine Antwort auf die Frage sei.

 

Aber gerade ist mir aufgegangen, dass das nicht wahr ist.

 

Versuchen wir es doch mal von der anderen Seite:

 

 

 

"Hast Du einen Wunsch Ugin?"

 

 

 

"Du, wo Du schon fragst... ehrlich gesagt ... Ja. Habe ich... Einen riesengroßen sogar... und zwar wünsche ich mir, dass Du mich erträgst, wie ich bin. Incl. Krebs, Nebel und Co. Ich weiß, dass es nicht leicht ist (und jeder der mich nicht kompliziert findet, der ist wohl noch nicht dicht genug rangekommen) und ich verstehe, wenn Dir das zu viel ist und es Dir lieber wäre, wenn ich ganz anders wäre.

Ja, ehrlich.

 

Aber... DAS ist die Wahrheit:

 

Ich weiß es nicht. SO siehts hier aus: Ich sehe zur Zeit nur Nebel und Krebs und irgendwelche unzusammenhängenden Bilder.

Ich weiß nicht, was ich will, DAS ist ja gerade mein Problem und ich will meine paar letzten Kräfte nicht auf die Frage verwenden, was Du mir zu Weihnachten schenken kannst, ich habe andere Sorgen, so leid es mir tut.

 

Das ist mir alles zu viel, hier ist alles grau in grau und zu DIESEM grau in grau Zustand sage ich "Es geht mir VIEL besser" - weil es mir nämlich vorher beschissen ging. Da ist das doch ein Fortschritt?

 

Nein, ich sage das nicht im fünf Minutentakt und ja man kann mit mir auch lachen, ich mag nämlich nicht den ganzen Tag heulen und jammern. Wird doch alles nicht besser davon...

 

Trotzdem ist es die Wahrheit und kein leeres Gerede: Ich bin die mit dem Nebel...

 

Und wenn Du mich jetzt fragst, was ich mir wünsche, dann habe ich nur die eine Antwort:

 

Ich wünsche mir von Dir, dass Du nicht versuchst mir eine heile-Welt-Maske aufzudrücken, wenn es mir nicht gut geht. Sondern, dass Du DAS aushältst. Dass Du aushältst zu sehen, dass NICHT alles in Ordnung ist und ich NICHT weiter weiß.

 

Nicht für Dich lächeln zu müssen würde mir so viel Kraft sparen. Es wäre so schön, wenn ich nicht wählen müsste zwischen lügen und schauspielern einerseits. Und Dich ständig enttäuschen und Deine gut gemeinten Ratschläge ablehnen zu müssen andererseits.

Ich wünsche mir, dass ich nicht vor den Feiertagen Angst haben muss, weil mir nun einmal keine "Buch / Schmuck / Konzertkarte" Wünsche einfallen wollen, während ich befürchte, dass es mir auch dieses Jahr wieder nicht gelingen wird Weihnachten zu verbringen, wie ICH möchte: Kein Weihnachtsbaum. Kein Familientreffen. Keine Lügen über Geschenke, keine Fragen auf die es keine "richtigen" Antworten gibt.

 

Ich wünsche mir, dass Du mir glaubst, dass ich nicht blöd bin. Meinst Du nicht auch, dass mir Dinge wie "Lenk Dich ab" oder "Tu was sinnvolles" auch schon eingefallen sind? Glaubst Du wirklich, es ist noch nie jemand auf die Idee gekommen mir Musik, Malen, Gesprächstherapie, Tabletten oder sowas vorzuschlagen?

 

 

Bildlich gesprochen könnte ich auch sagen: Wenn DU "ICH würde soooooo gern wieder mal mit Ugin Musik machen" denkst, dann komm halt vorbei. Wühl Dich durch die Nebelschwaden in meinem Kopf, kämpf Dich durch den Morast, stirb tausend Tode vor Angst um Deine empfindliche Flöte bei dem Wetter im Sumpf. Mach es wenn Du das möchtest und ich schwöre, ich werde mich freuen, Dich zu sehen. Werde mit der Lampe in der Tür stehen, Suppe auf dem Herd und Schlafplatz für Dich fertig haben.

Ich werde den Kamin anmachen.

Und die Gitarre stimmen.

Und Du wirst sagen "Mensch, Ugin - ich hatte vergessen, dass Raben singen können..."  und es wird total gemütlich hier.

Und wenn Du das mit mir und der Musik gerade NICHT denkst, dann verstehe ich das. Oder wenn Du es denkst, Dir aber gerade der Weg zu weit ist. Dieser Nebel ist echt fies und das Moor ist tückisch. Es sind schon Leute darin ertrunken und ich weiß doch, dass die Flöte von Deiner Großmutter stammt.

Es ist okay, ehrlich. Ja wirklich.

 

Lies den letzten Absatz bitte nochmal, bis er angekommen ist. ICH VERSTEHE DAS!!!! Denn wenn DAS klargeworden ist, dann kommt hier mein Wunsch:

 

Meinst Du, Du könntest aufhören zu brüllen, ich solle "mal eben kurz" in die Sonne kommen, damit wir danach was tolles machen können? Sieh mal, der Weg ist von beiden Seiten gleich weit. Gleich tückisch und gleich beängstigend. Ich habe ebensoviel zu verlieren wie Du, vielleicht sogar mehr.

Du bist der Meinung, ich solle es versuchen, ich weiß. Aber ich muss doch wenigstens erstmal einen Weg finden? Mich mit Kompass, Karte Taschenlampe und sonst was ausstatten. Glaubst Du wirklich, dass man mal eben so losrennt und November die richtige Jahreszeit für eine Nebelwanderung ist? Das was Du da vorschlägst ist keine Ermutigung, sondern blanker Irrsinn!!!!

 

Ich wünsche mir dieses Jahr zu Weihnachten, dass Ihr nicht von mir verlangt für Euch den Nebel zu verlassen. Ich verstehe, wenn Ihr keinen Nebel im Haus haben wollt - aber dann verlangt nicht von mir Euch zu besuchen, ich hab nichts anderes.

 

Ich kann es nicht ändern, ich bin so und es macht mich noch trauriger und noch mutloser, wenn ständig Kraft und Zeit in den Versuch gehen müssen, etwas zu überspielen, was Ihr es nicht ertragen könnt.

 

Ich wünsche mir dieses Jahr "NICHTS" zu Weihnachten. Ich will nichts zu lesen, ich will nichts zum Anziehen, ich will auch kein Geld. Lasst mich doch einfach sein wie ich bin, auch wenn das gerade mal müde, traurig und nebelig ist.

Ich wünsche mir, dass Ihr lernt es zu ertragen, wenn ich nichts möchte. Wünsche mir, dass Ihr seht, dass "Nun lach doch mal" keine gute Laune und "Sonst bist Du hinterher enttäuscht Geschenke" keine Zufriedenheit erzeugen.

Ich wünsche mir, dass Ihr es aushaltet, dass es mir NICHT blendend geht und dass Ihr ertragt, dass das nichts ist, was man mal eben mit fünf Minuten positivem Denken und drei Weihnachtsgeschenken beheben kann.

 

Ich weiß, Ihr hättet mich gern gesund, stark, glücklich und was weiß ich. Ich habs kapiert. Aber ich kann es Euch nicht bieten also erspart mir doch bitte entweder für Euch lügen zu müssen und ertragt mich traurig, müde, klein und grau oder gesteht Euch ein, dass Ihr mich anstrengend findet und ladet wen anders ein. Bitte."

 

DAS wäre mein Wusch.

 

Und angeblich ist Weihnachten die Zeit für Wünsche. Und ich stelle immer wieder fest, dass Wünsche, die kein Geld kosten als "nichts weiter" gelten.

 

Und so wünsche ich es mir dieses Jahr mal wieder, auch wenn ich nur wenig Hoffnung habe, dass es funktionieren wird:

 

Ich möchte NICHTS. Bitte. Seid so gut. Ich hätte es soooooooo gern. Und es würde mir soooooooo viel bedeuten...

 

 

...aber ich ahne die Antwort, denn diese Lektion habe ich eigentlich schon von meiner Kindergärtnerin gelernt, als ich fünf Jahre alt war. "Du musst doch nen WUNSCH haben!!!!! Etwas, das Dir FREUDE macht. Komm Ugin, SAG schon... " Ach...

 

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